Kahlschlag beim Ihlsee in Bad Segeberg

Mehrheit der Stadtvertreter beschließt Pläne für neues Baugebiet – es sollen u.a. 18.000 qm wertvoller Mischwald südlich des Sees abgeholzt werden. Bürger:innen und Naturschutzverbände sind schockiert.

Die EU‐Kommission hat gerade ein umfassendes Paket (1) für mehr Umwelt‐ und Klimaschutz vorgelegt und zahlreiche Maßnahmen angekündigt, um natürliche Lebensräume wiederherzustellen: Die Renaturierung von Feuchtgebieten, Wäldern, aber auch Natur im städtischen Raum sei eine entscheidende Investition in Gesundheit und Wohlbefinden, teilte die Brüsseler Behörde mit. (Rund 80 Prozent der europäischen Lebensräume befänden sich in einem schlechten Zustand, hieß es.) Ähnliches steht im Bio‐Diversitätskonzept der alten und neuen Landesregierung (es steht auch wieder im Koalitionsvertrag von SH, (2)). Die Bundesregierung plant ein 800‐Millionen‐Europrojekt (1), um Städte für den Klimawandel fit zu machen: Pflanzen wirken in Städten wie natürliche Klimaanlagen. Aber die Stadt Bad Segeberg will wertvollen Wald am Rande eines FFH‐Gebietes abholzen.

Klimaschutzziele ins Wahlprogramm zu schreiben ist leicht. Bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen fällt es den anderen Fraktionen noch immer sehr schwer . Die B‐Pläne 98/99 widersprechen zumindest dem Geist und Vorgaben aus Brüssel, Berlin und Kiel. Nur bei uns in Bad Segeberg läuft dann wieder das Sägewerk: Hier sollen Grünflächen sowie 18.000 qm, ökologisch wertvoller Laubwald abgeholzt werden – für relativ wenig Wohnraum. Der Plan ist zudem rechtlich sehr wackelig, weil laut BUND und NABU die Pläne sehr wahrscheinlich ein Verstoß gegen EU‐Gesetz darstellen. Der durch die EU geschützte Ihlsee werde durch das Abholzen des Waldes im Einzugsgebiets noch stärker gefährdet. Die Planer sind auf die Kritik der Naturschutzverbände und zahlreicher Bürger:innen nicht eingegangen. Auch sozialpolitisch ist es eine Fehlplanung, sie geht am Bedarf vorbei: Wer kann sich diese Häuser noch leisten? Die Zeit der Niedrigzinsen ist vorbei. Der Spiegel hat uns letzte Woche vorgerechnet: das können sich, wenn überhaupt, Ärzte leisten. Aktuelles Beispiel aus unserer Stadt, Stadtvertreter H. Vollert:„ Letzte Woche konnte eine Mitarbeiterin von mir nicht zur Arbeit erscheinen. Warum: Weil die Kita kein Personal (Corona & nicht alle Stellen besetzt) hatte und sie die Kids zu Hause betreuen musste. Auch in Segeberger Kliniken ist die Personalsituation sehr eng, weil Pflegepersonal fehlt. “Wir brauchen keine Häuser für Ärzt:innen, sondern für Gering‐ und Normalverdiener, für den Mittelstand, damit der Laden am Laufen bleibt. Ortsverband und Fraktion der GRÜNEN lehnen diese Pläne ab. Die GRÜNEN fordern bei der Bebauung der letzten freien Flächen einen vernünftigen Kompromiss: Es müssen Natur‐ und Klimaschutz berücksichtigt werden – inklusive EU‐Gesetze. Es muss bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen und Familien geschaffen werden. Wir brauchen Wohnraum u.a. für Erzieher:innen, Krankenschwestern und Pflegepersonal und Handwerker. In der Stadtvertretung wurde als Kompromissvorschlag ein Alternativ‐Antrag gestellt:

„Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die B‐Pläne 98/99 wie folgt zu überplanen:

1. Erhalt der gesamten Waldflächen.

2. Die Baufläche soll zu 100% für Reihenhäuser bzw. Mehrfamilienhäuser zur Verfügung stehen, mit einem Fokus auf „Normalverdiener“ und Familien.“

Selbst dieser Antrag wurde mit der Mehrheit der Stimmen von BBS, SPD und CDU abgelehnt.


(1) Der Spiegel, 22.06.2022
(2) Pressemitteilung BUND SH vom 23.06.20